EU-Digitaldiensteverordnung – Umsetzungsfrist endet

Was ändert die DDV/DSA zum 17.02.2024?

Die EU-Verordnung 2022/2065 über digitale Dienste (DDV*) tritt am 17. Februar 2024 für alle in Kraft. Die umstrittene DDV soll das Recht der Netzdienste harmonisieren und Verbraucher besser schützen.

Bisher gilt sie hauptsächlich für sehr große Online-Dienste, im Februar treten besondere Sorgfaltspflichten und Haftungserleichterungen für alle „Vermittlungsdienste“ in Kraft. Dazu zählen Cloud-Dienste und Stellenbörsen genauso wie Shops und Ihre Werbeanzeigen.

Die gute Nachricht ist, dass bisher keine Bußgelder verhängt werden können, weil das deutsche Umsetzungsgesetzt fehlt. Das wird allerdings „schon“ im Bundestag beraten, so dass man sich darauf nicht ausruhen sollte.

Es ist umstritten, ob die DDV verfassungskonform ist. Die privaten Vermittlungsdienste sollen, wie staatliche Akteure an die EU-Grundrechtecharta gebunden sein. – Das unterscheidet die DDV und die Charta wesentlich von den deutschen Grundrechten. Diese verpflichten Private im Prinzip nicht. Die deutschen Grundrechte sind Abwehrrechte gegen den Staat, während Private grundsätzlich frei sind.

 

1. Wichtige Begriffe

Ein Vermittlungsdienst speichert Informationen für einen Nutzer (Hosting), speichert sie zum schnelleren Abruf zwischen (Caching) oder leitet sie weiter (Durchleitung).

Eine besondere Art des Vermittlungsdienst ist die „Online-Plattform“. Sie zeichnen sich dadurch aus, dass sie die Daten im Auftrag der Nutzer nicht nur hosten, sondern zusätzlich öffentlich verbreiten. Für diese sog. „Social-Media”-Plattformen, Cloud-Anbieter oder Netzmarktplätze gelten zusätzlich die Art. 19 bis 32 DDV.

Einige Regelungen gelten nicht für Kleinst- und Kleinunternehmern (<50 MA & ≤10 Mio €), solange sie keine „sehr großen Online-Plattformen“ mit monatlich mehr als 45 Millionen aktiven Nutzern betreiben.

 

2. Allgemeine Pflichten

„Allgemeine Geschäftsbedingungen“

Alle Dienste müssen eine Kontaktstelle für Behörden und Nutzer veröffentlichen – das wird im Wesentlichen durch die deutsche Impressumspflicht erfüllt. Zusätzlich muss dort die Kontaktsprache angegeben werden.

In „allgemeinen Geschäftsbedingungen“ müssen alle Dienste ihre Beschränkungen zur Inhaltsmoderierung sowie die Verfahrensordnung ihres Beschwerdesystems, beschreiben und die Nutzer proaktiv über deren Änderungen informieren. Online-Plattformen müssen darüber hinaus darlegen, nach welchen Regeln Sperren verhängt werden und wie ihre Empfehlungssysteme die Reihenfolge für Suchergebnisse oder Nachrichten festlegen. Für sehr große Vermittlungsdienste gelten weitere Anforderungen, die für unseren Leserkreis nicht relevant sind.

 

„Transparenzbericht“ zur Moderation

Jährlich muss nach Art. 15 DDV ein Transparenzbericht über die Moderation von Inhalten sowohl digital veröffentlicht als auch an den Digitalkoordinator geschickt werden. Kleinunternehmern sind von dieser Pflicht befreit. Online-Plattformen müssen den Bericht nach Art. 24 DDV alle 6 Monate veröffentlichen.

 

3. Pflichten für Online-Plattformen

Erste digitale Meldestelle – Beschwerden gegen Inhalte

Online-Plattformen müssen eine rein digitale Meldestelle einrichten. Im Gegensatz zur anonymen Meldestelle nach HinSchG und LkSG soll der Verantwortliche ein Mindestmaß personenbezogener Daten des Melders sammeln und ist nur bei Straftaten rund um Kinderpornographie anonym. Der Einsatz einer KI muss mitgeteilt werden. Jede Sanktion aufgrund einer Meldung muss ausführlich begründet werden. Falls der Dienstleister „nur“ eine behördliche Zensur-Maßnahme nach Art. 9 DDV ausführt, gelten stattdessen die ähnlichen Transparenzanforderungen nach Art. 9 Abs. 5 DDV. Schwere Straftaten oder deren Planung müssen unverzüglich angezeigt werden.

 

Pflichten für mittlere und große Unternehmen

Es wird eine zweite Meldestelle gegen Sanktionen eingerichtet und in den Nutzungsbedingungen beschrieben.

Nutzer können alternativ eine europäische Online-Streitbeilegungsstelle einschalten, die grundsätzlich nur vom Dienstleister zu bezahlen ist. Vom Nutzer kann allerdings eine Schutzgebühr verlangt werden.

„Vertrauenswürdige Hinweisgeber“ sind staatlich zertifizierte, Einrichtungen, deren Meldungen bevorzugt behandelt werden müssen. Es bleibt offen, wer sie bezahlt.

Nutzer, die häufig offensichtlich scheinbar „rechtswidrige Inhalte“ bereitstellen, werden für eine bestimmte Dauer von der Veröffentlichung ausgeschlossen. „Rechtswidrige Inhalte“ meint dabei nicht tatsächlich rechtswidrige Inhalte, da es eine Beweislastregelung gibt, dass die Angaben der Melder als wahr unterstellt werden müssen, wenn sie schlüssig und nicht offensichtlich unwahr sind. Missbräuchliche Melder können ebenso zeitweise an weiteren Meldungen gehindert werden.

Digitalschnittstellen sind ohne Behinderung der freien Entscheidung zu gestalten. Das von vielen Cookie-Bannern bekannte „Nudging“, durch Position, Größe oder Farbe der verschiedenen Optionen dürfte damit im Anwendungsbereich der DDV ein Ende finden.

Mit Werbung muss angegeben werden, für wen geworben wird, wer die Werbung bezahlt, nach welchen Kriterien die Anzeige ausgesucht wurde und wie man diese ggf. ändern kann. Profiling darf dabei keine besondere Datenkategorien nach Art. 9 DSGVO nutzen. Minderjährige sollen besonders geschützt werden, sie dürfen nicht mit Profiling beworben werden. Sogenannte Empfehlungssysteme müssen transparent ihre Parameter und deren Änderungsmöglichkeiten darlegen und eine leichte Optionsänderung ermöglichen.

Online-Plattformen im Fernabsatz dürfen anderen Unternehmen nur Zugang gewähren, wenn diese der Plattform vorher Pflichtinformationen zur Prüfung übermitteln. Für diese Angaben gibt es eine Übergangsfrist bis 17. Februar 2025. Verbraucherpflichtinformationen der einzelnen Anbieter müssen dem Nutzer bereitgestellt und von der Plattform geprüft werden. Die Plattform muss die Verbraucher über rechtswidrige Praktiken ihrer Händler aktiv informieren.

 

Haftung – vorerst unvollständig

Es gibt einen direkten Schadenersatzanspruch der Nutzer gegen die Vermittlungsdienste. Aufsichtsbehörde könnte zusätzliche Sanktionen verhängen. Die Bußgeldvorschriften stehen jedoch noch nicht fest, da der Entwurf des Digitale-Dienste-Gesetzes (DDG) derzeit in den Ausschüssen des Bundestages beraten wird. Derzeit stehen dort Bußgeldsätze bis 10 Millionen oder 1 Prozent des weltweiten Jahresumsatzes.

 

*DDV: Babylonische Sprachverwirrung

Die EU vergibt keine griffigen Namen, deshalb wird über die Verordnung mit vielen Namen geschrieben: Amtlich heißt die Verordnung (EU) 2022/2065 vom 19. Oktober 2022 Gesetz über digitale Dienste“, ist aber rechtssystematisch eine „Verordnung“ was den deutschen Termini widerspricht und besonders deshalb verwirrend ist, weil das deutsche Umsetzungsgesetz „Digitale-Dienste-Gesetz“ (DDG) heißen soll. Wir nennen die EU-Norm daher „Digitaldiensteverordnung“ kürzen sie mit DDV ab. Englisch heißt sie Digital Services Act (DSA).

 

Weiterführend

 

Autor: Thomas Hofmann, Data Privacy Legal Consultant, 26.01.2024

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